Ungerechtigkeiten sozialer Elternschaft in Deutschland

Ungerechtigkeiten sozialer Elternschaft in Deutschland
Photo by Anastasiia Krutota / Unsplash

Es gibt Elternschaft, die sich ausschließlich durch soziale Beziehung und nicht zusätzlich durch biologisch-rechtliche Verbindung begründet wie z. B. Stiefeltern, Pflegeeltern oder gleichgeschlechtliche Partner eines biologischen Elternteils. Soziale Eltern erziehen und unterstützen ihre Kinder wie es auch biologische Elternteile tun und trotzdem werden sie in Deutschland in vielen Punkten benachteiligt.

Ihnen fehlen Rechte und eine rechtliche Anerkennung ihrer Elternschaft: soziale Eltern haben in Deutschland häufig keine gesetzlichen Rechte in Bezug auf ihre Kinder, selbst wenn sie eine wichtige Rolle in deren Leben spielen und täglich Verantwortung tragen. Im Gegensatz zu biologischen Eltern haben soziale Eltern kein automatisches Sorgerecht. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für das Mitspracherecht bei wesentlichen Entscheidungen, etwa zur Erziehung, Gesundheit und schulischen Belangen des Kindes. Institutionell sind soziale Eltern in Situationen wie Arztbesuchen, Schulveranstaltungen oder rechtlichen Belangen oft auf das Wohlwollen der anderen Eltern oder auf Sonderregelungen angewiesen, da sie ohne offizielle Vormundschaft nicht befugt sind, im Namen des Kindes zu handeln. Sie werden institutionell aber auch oftmals im privaten Umfeld von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen, obwohl sie oftmals die Hauptbetreuungs- und bezugspersonen sind.

Selbst soziale Eltern, denen ein Mitspracherecht durch eine Vollmacht oder durch Adoption eingeräumt wurde, haben oft mit gesellschaftlichen Vorurteilen oder Missverständnissen zu kämpfen. Viele Menschen sehen die „richtige“ Elternschaft immer noch als biologisch bedingt, wodurch soziale Eltern nicht die gleiche Wertschätzung oder Anerkennung erfahren. Sie werden diskriminiert, vernachlässigt oder einfach nicht als Eltern anerkannt. Gerade für die Kinder entstehen hierdurch zusätzliche verunsichernde Situationen, in denen sie zum Teil schon in sehr jungem Alter für ihre eigene Lebenswirklichkeit einstehen und das Urteil anderer Erwachsenener korrigieren müssen. Eine soziale Mutter, die ihren Sohn zu 100% betreute, da die biologische Mutter nach der Geburt des Kindes verschwand, erzählte mir, dass ihr Sohn selbst nach mehreren Kita-Jahren von den ErzieherInnen weiterhin beim Bringen und Abholen den Vornamen seiner Mutter zu hören bekam und sich so mit 3 Jahren in der Rolle sah, immer wieder vor den ErzieherInnen klarzustellen "das ist meine Mama". Sie hatte zusammen mit ihrem Mann im Vorfeld das Gespräch mit den ErzieherInnen gesucht.

Da soziale Eltern auch in ihrem privaten Umfeld häufig nicht als "echte Eltern" angesehen werden, erhalten sie oft in ihrem privaten Umfeld keine Unterstützung. In der Landschaft öffentlicher Unterstützungsangebote oder Beratungsstellen sieht es vielerorts nicht besser aus: während biologische Eltern oft Zugang zu einer Vielzahl von Programmen und Ressourcen haben, finden soziale Eltern nur selten Angebote, die auf ihre besondere Situation zugeschnitten sind. Insbesondere in Patchwork- oder Regenbogenfamilien fehlen in Deutschland noch immer Unterstützungsstrukturen, die gezielt auf die Bedürfnisse sozialer Eltern eingehen. Dabei ist gerade die Rolle sozialer Eltern je nach individueller Situation mit viel emotionaler Arbeit verbunden und kann sehr hohe Reflexionsfähigkeit, enorme Feinfühligkeit, Achtsamkeit, soziale Kompetenzen und mediierende Qualitäten erfordern. Zusätzlich führt der Mangel an gesellschaftlicher und rechtlicher Anerkennung oft dazu, dass soziale Eltern in ihrer Rolle und in ihrer Beziehung zu ihren Kindern verunsichert werden.

Selbstverständlich tragen soziale Eltern oft maßgeblich zur finanziellen Versorgung des Kindes bei, erhalten jedoch selten steuerliche Vorteile. Diese fehlende finanzielle Unterstützung kann besonders belastend sein, wenn die sozialen Eltern – wie z.B. in Patchworkfamilien – für mehrere Kinder aus verschiedenen Partnerschaften Verantwortung tragen und keinen rechtlichen Anspruch auf Kindergeld oder andere Vergünstigungen haben. Die Benachteiligung sozialer Eltern gegenüber rechtlich-biologischen Eltern geht soweit, dass soziale Mütter im Falle einer drohenden Kündigung keinen Schutz erfahren und Familien so in finanziell prekäre Situationen geraten, wenn die soziale Mutter zu einem großen Teil oder alleine den Lebensunterhalt bestreitet.

Wenn die Beziehung zwischen dem sozialen Elternteil und dem biologisch-rechtlichen Elternteil endet, gibt es meist keine gesetzliche Grundlage, die den sozialen Eltern erlaubt, weiterhin Kontakt zu ihrem Kind zu haben. Im Falle einer Trennung haben soziale Eltern kein Recht auf Besuchs- oder Umgangszeiten, selbst wenn eine enge Bindung besteht oder das betreffende Elternteil eine oder auch die Hauptbezugsperson war. Für die Kinder kann dies eine (Re-) Traumatisierung bedeuten, emotional sehr belastend und verunsichernd sein, und selbstverständlich auch bei den betreffenden sozialen Elternteilen schwere Krisen hervorrufen.

Insgesamt spiegeln sich in der rechtlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Behandlung sozialer Eltern viele strukturelle Benachteiligungen wider, die auf traditionellen Vorstellungen von „Elternschaft“ basieren. Die Gesellschaft und die Gesetzgebung sind oft noch stark auf biologische Elternschaft fokussiert und schaffen dadurch ein Umfeld, in dem soziale Eltern sich ungerecht behandelt und unsicher fühlen müssen.

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